Der Name Krupp ist nicht nur im Ruhrgebiet bekannt, nur wenige wissen allerdings, dass dieses Unternehmen nach dem Tod von Friedrich Alfred Krupp (1854-1902) vier Jahre von Margarethe Krupp als Treuhänderin für ihre Tochter Bertha geleitet wurde und dass Margarethe Krupp später die Gartenstadt Margarethenhöhe gründete.
Ich gebe zu, ich wusste es auch nicht. Ich bin auf sie aufmerksam geworden, als ich nach einer historischen Frauenfigur für einen Roman suchte, die etwas bewegt hat, das bis heute reicht. Dabei habe ich mich gefragt, nach wem eigentlich die Margarethenhöhe benannt ist und schon war ich im Thema. Denn Margarethe Krupp hat nicht nur im letzten Drittel ihres Lebens Außergewöhnliches geleistet, sie war ihrer Zeit auch als Kind und Jugendliche schon voraus. In der Geschichte der Frauenbewegung spielt sie keine Rolle, aber sie war ein Vorbild in jener Zeit und hat im Verborgenen einiges bewegt und sei es nur, dass sie den Männern gezeigt hat, was Frauen können.
Margarethe Krupp ist am 15. März 1954 die Tochter eines politischen Beamten und einer Gräfin aus verarmtem Adel, die Zeit ihres Lebens so tat, als gebühre ihr als Gräfin eine besondere Aufmerksamkeit. Warum Margarethes Mutter xx Kinder bekommen hat, habe ich mich beim Lesen oft gefragt, denn nach der Geburt hat sie ihren älteren Töchtern die Betreuung der Kinder aufgetragen, sogar den Schulbesuch musste Margarethe abbrechen, weil ein neues Kind geboren war. Dabei hatte Margarethe dafür gekämpft, dass sie als Mädchen überhaupt eine öffentliche Schule besuchen durfte, wie sie auch dafür kämpfen musste, eine Ausbildung als Lehrerin zu absolvieren, die sie – wegen des neuen Kindes – nicht abschließen konnte. Ob es ihr dann gereicht hat, dass ihre Mutter ihren Zielen Steine in den Weg gelegt hat, ist nicht überliefert. Margarethe hat selbst viele private Briefe vernichtet. Jedenfalls hat sie sich 1878 mit Unterstützung der Industriellen Bertha Krupp, die sie bei einem Besuch mit den Eltern kennengelernt hatte, eine Stelle als Hauslehrerin in England gesucht. Nach zwei Jahren wechselte sie den Arbeitsplatz und ging 1880 als Erzieherin an den Hof des Fürsten von Anhalt in Dessau. Möglicherweise erfolgte die Rückkehr nach Deutschland, weil sie sich zwischenzeitlich mit Friedrich Alfred Krupp angefreundet hatte, er hat sie sogar, das ist überliefert, in England besucht. Zwei Jahre später heiraten die beiden – gegen den Willen des Schwiegervaters, der denn auch nicht bei der Hochzeit erschien, zumal seine Ehefrau Bertha ihn kurz zuvor verlassen hatte. Welche Rolle die Hochzeit des Sohnes bei dem Zerwürfnis spielte, ist nicht überliefert, allerdings hat Bertha vermutlich schon beim ersten Treffen mit Margarethe den Eindruck gewonnen, das könne eine passende Frau für ihren Sohn sein.
Margarethe zog zu Friedrich in die Villa Hügel und war dort für die Organisation des Hauses mit über 400 Arbeitskräften zuständig, wozu viele Besuche von Staatsgästen gehörten. Sie bekam zwei Töchter, Bertha (1886-1957) und Barbara (1887-1972) und hat sich um das Familienmanagement gekümmert, das allerdings durchaus mit der Leitung eines großen Hotels mit eigenen Produktionsstätten vergleichbar war. Sie als Nur-Hausfrau zu bezeichnen, wäre ein Fehler, zumal sie einerseits in verschiedene wohltätige Projekte involviert war. Als ihr Mann 1902 unter – bis heute ungeklärten – Umständen starb, übernahm sie die Leitung des Unternehmens, wozu unter anderem die Umwandlung in eine Aktiengesellschaft gehörte. In meinem Roman „Die Königin von der Ruhr“ erzähle ich, wie ich mir die Zeit vorstelle, basierend auf Daten, Briefen und Berichten und meiner persönlichen Einschätzung von dem Charakter der Frau. In Büchern über Krupp wird sie teils nicht erwähnt, teils als „Ex-Gouvernante“ bezeichnet, die von Unternehmensleitung keine Ahnung hat. Wenn ich mir aber anschaue, wie sie für ihre Ausbildung gekämpft hat, dass sie selbstständig nach England gegangen ist, sich eine Stelle in Dessau gesucht und die Villa Hügel geleitet hat, kann ich nicht glauben, dass sie bei der Leitung des Unternehmens alles abgenickt hat. Dagegen spricht auch der Coup, dass sie am Tag der Hochzeit ihrer Tochter im Oktober 1906 die Gründung ihrer Stiftung bekanntgibt. Eine zurückhaltende Frau hätte sicher nicht den Ehrentag der Tochter dafür genutzt.
In den nächsten Jahren sorgt sie mit dem Architekten Georg Metzendorf dafür, dass die Gartenstadt Margarethenhöhe als Arbeitersiedlung gebaut wird. Als sie 24. Februar 1931 starb, war die Kolonie noch nicht ganz vollendet. Heute ist nach der Margarethenhöhe ein Stadtteil in Essen benannt, es gibt Erweiterungen und die über 100 Häuser, die aus der ursprünglichen Siedlung den Zweiten Weltkrieg überstanden haben, stehen unter Denkmalschutz und vermitteln ein Bild davon, wie vorausschauend, menschenfreundlich und innovativ Margarethe Krupp zu ihrer Zeit agiert hat.