Als ich in Gotha als Stadtschreiberin war, hat mich interessiert, welche Frauen die Stadt geprägt haben. Mit der Hilfe von drei Broschüren des Gleichstellungsbüros habe ich 2019 folgenden Beitrag erstellt. Doch, ich habe die insgesamt 200 Seiten der Broschüren komplett gelesen.
Historische Kolleginnen in und aus Gotha
Bei der Lektüre habe ich aber Post-its an manche Seiten geklebt, bei Porträts über Schriftstellerinnen, Schauspielerinnen oder Lebensgeschichten, die ich besonders interessant finde. Von Marianne Salzmann hatte ich noch nie gehört, sie wurde 1860 in Gotha geboren, war Lehrerin in Gotha und schrieb drei Romane für Jugendliche, teilweise mit regionalem Bezug: „Veronika vom Berge“, eine Geschichte über den 30-jährigen Krieg mit einer Hommage an Herzog Ernst der Fromme, der Schloss Friedenstein erbaut hat, „Flügge Waldvögel“, eine „Erzählung für die reifere Jugend“, was das wohl heißen soll, „Im Thüringer Forsthaus“. Die Bücher sind antiquarisch noch erhältlich, aber sonst habe ich nichts über die Kollegin gefunden, nicht mal, wann sie gestorben ist. Ebenfalls Lehrerin war die acht Jahre ältere Dichterin Adelheid Stier, die mit 30 Jahren nach Gotha zog und Gedichte und Aphorismen schriebe, die u. a. in das 1900 bei Cotta erschienene Buch „Gedichte“ aufgenommen wurden. Sie war außerdem Mitarbeiterin bei den Jugendzeitschriften „Das Kränzchen“ und „Der gute Kamerad“, von denen ich noch nie gehört hatte. Sie starb 1940, ein Teil ihrer Werke, u. a. der Text zu dem Hermann Kaulbach Bilderbuch, das sehr bekannt war, ist im Internet zu finden. Neugierig bin ich auf die Werke von Getrud Weymar-Hey, die am 21. Oktober 1888 in Gotha geboren ist. In dem Porträt ist nämlich davon die Rede, dass ihre Werke „kriminelle Geschehen“ enthalten, sprich: Sie ist nicht Kinderbuch-Kollegin, sondern Krimi-Kollegin „Rhythmus des Lebens“ sei ein Kriminalroman heißt es. Interessant ist, dass in dem Porträt steht, dass die Autorin 1941 in Görlitz gestorben ist, während Beiträge im Internet das Todesjahr „nach 1963“ vermerken, weil der letzte Eintrag in „Kürschners Deutscher Literatur Kalender““ aus diesem Jahr stammt. Ich bleibe dran-
Die erste Kindergärtnerin von Gotha
Ja, ich weiß, es heißt heute „Erzieherin“, aber in der Zeit, von der hier die Rede sein wird, waren die Kindergärten gerade erfunden und die Frauen waren teilweise noch von Friedrich Fröbel ausgebildet worden. Der übrigens, das habe ich aus den Beiträgen am Rande erfahren, mehrmals in Gotha gewesen ist! Da ist vor allem Christiane Erdmann, von deren übrigens nur bekannt ist, was mit dem Kindergarten bzw. Fröbel zu tun hat. Bei Wikipedia wird als einzige weitere Information 1820 als Geburtsjahr angegeben, einen Beitrag über sie gibt es nicht. Klar ist jedenfalls, dass sie im September 1845 den ersten Gothaer Kindergarten gegründet hat. Ihr Onkel hat ihr die Ausbildung bei Friedrich Fröbel in Keilhau 1844 und 1845 ermöglicht und in Gotha startete sie mit 60 Kindern. Der erste Kindergarten befand sich im Haus des Onkels an der Sundhäuser Gasse 136, danach zog Christiane Erdmann mitsamt der Kinder um in die Nähe des Rathauses, Hauptmarkt 31. 1849 sandte Fröbel Christiane Erdmann nach Hamburg, von dort aus ging sie 1851 nach Berlin. Was aus ihr wurde, ist nicht bekannt, immerhin wurden 1851 in Preußen die Kindergärten verboten.
Künstlerinnen aus Gotha
Die bekannteste Künstlertochter der Stadt ist Hannah Höch, sie ist am 1.11.1889 in Gotha geboren und gehört zu den bedeutendsten Künstlerinnen des 20. Jahrhundert. Bekannt geworden ist sie durch ihre enge Beziehung zum Dadaismus, der ihr sogar den Spitznamen „Mama Dada“ einbrachte. Natürlich kannte ich den Namen Hannah Höch schon vor meiner Gothaer Zeit, aber ihre Verflechtung in die Kulturkreise in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war mir nicht präsent. Es hat übrigens ziemlich lange gedauert, bis ihre Heimatstadt sich mit ihr angefreundet hat, heute gibt es Schilder an Geburts- und Wohnhaus, die ersten Ausstellungen ihrer Werke fanden erst in den 1990er-Jahren statt. Erlebt hat sie die nicht mehr, Hannah Höch starb am 31. Mai 1978 in Berlin und ist auch dort in einem Ehrengrab der Stadt Berlin begraben worden.
Noch eine junge Gothaerin wagte sich Anfang des 20. Jahrhunderts aus der Thüringer Kleinstadt in die Kunstmetropolen. Maria Uhden, sie ist zwar 1892 in Coburg geboren, durch berufliche Wechsel ihres Vaters zunächst nach Waltershausen und mit 18 Jahren schließlich nach Gotha gezogen. Von hier aus machte sie sich zunächst auf nach München, um dort eine private Malschule zu besuchen, und dann nach Berlin, wo sie zwei Semester an der Kunstgewerbeschule studierte. Beide Ausbildungen waren nicht das, was sie suchte, so erarbeitete sie sich eigenständig ihren Kunststil und wurde dabei von den Bildern von Marc Chagall beeinflusst, die sie in Berlin erlebte. In Berlin heiratete sie 1917 den Maler Georg Schrimpf, starb jedoch am 14. August 1918 fünf Wochen nach der Geburt ihres Sohnes. Dass sie auf einem guten Weg war, als Künstlerin Karriere zu machen, wird daran deutlich, dass Oskar Maria Graf bereits 1921 eine Biografie über sie verfasst hat. Auch wenn Wikipedia gerne verpönt wird, für mich ist auch ein ausführlicher Beitrag über Maria Uhden dort ein Beleg dafür, dass sie jemand war und ist in der Kunst des 20. Jahrhunderts.
Ja, Marianne Brandt, die Bauhaus-Schülerin aus der Metallwerkstatt von Moholy-Nagy, hat in Gotha gearbeitet, dazu folgt ein Beitrag, wenn die Bauhaus-Ausstellung mit ihren Werken im November in Gotha zu sehen sein wird.
Viele weitere spannende Frauen
Es gibt noch so viele andere spannende Lebensgeschichten von Frauen aus Gotha, die kann ich gar nicht alle erzählen, vielleicht noch ein Hinweis auf Charlotte Sauerbrey, die am 25. März 1802 geboren wurde und die als junge Frau die Leitung der Gothaer „Colorier-Anstalt“ ihres Vaters übernahm. 1835 heiratete sie den Porzellanmaler Sauerbrey, während ihr Vater und ihr Mann sich um die künstlerische Seite des Kolorierens kümmerten, wachte sie über die Gesamtentwicklung des Unternehmens bis zu ihrem Tod am 7. Oktober 1868. Bekannt über die Gothaer Grenzen hinaus war auch die Schauspielerin Friederike Bethmann, am 24. Januar 1766 in Gotha geboren und am 15. Oktober 1815 in Berlin verstorben. Wie gesagt, mein Blick geht eher in den Kulturbereich, aber ich nehme nach der Lektüre der Broschüren als Aufgabe an mich selbst mit, etwas Ähnliches für Hagen auf die Beine zu stellen. Die Idee hatte ich schon vor Jahren, ich habe schon ein oder zwei Bücher über Frauen in Hagen, aber wenn es in Gotha über 50 aktive, kreative, engagierte Frauen gegeben hat, dann müssten es in Hagen ja über 200 sein (einfache Rechnung: Hagen hat heute 4 x so viel Einwohner wie Gotha, 50 x 4 = 200 😊 ). 13.06.2019/11.06.2023 Dr. Birgit Ebbert www.vergessene-frauen.de