In diesem Beitrag, den ich vor einigen Jahren geschrieben habe, geht es um die Schriftstellerin Ilse Weber, die u. a. das Lied „Ein Koffer spricht“ geschrieben hat, das ich etwa 60 Jahre nach ihrem Tod in Auschwitz bei den Ruhrfestspielen gehört habe.
Eine der CDs, die ich beim Autofahren höre, ist Atlantic Affairs. Es ist fast 20 Jahre her, dass ich die Rockshow der Erinnerung mit Udo Lindenberg bei den Ruhrfestspielen erlebt habe. Und noch immer fesseln mich die Texte von emigrierten oder von den Nazis ermordeten Dichtern, denen Udo Lindenberg mit der Show ein ganz besonderes Andenken gewidmet hat.
Am Sonntag hörte ich wieder das Lied „Ein Koffer spricht“ von Tim Fischer einfühlsam und eindringlich intoniert. Ich kann den Text nicht immer hören, weil er am Beispiel eines Koffers deutlich macht, was in den Konzentrationslagern passiert ist. Man kann sich gut vorstellen, wie Koffer und Schuhe, Kinder und Eltern ratlos gewartet und bis zuletzt gehofft haben. Wer so etwas schreibt, muss das erlebt haben. Der Gedanke kam mir nicht zum ersten Mal, aber zum ersten Mal habe ich zu Hause die CD hervorgeholt und nachgeschaut, von wem der Text stammt.
Leben und Ermordung von Ilse Weber
Ilse Weber. Den Namen hatte ich noch nie gehört. Jahrgang 1903. Kinderbuchautorin sei sie gewesen. Mein dickes, teures Lexikon der Kinder- und Jugendliteratur schweigt sich über sie aus, während ich den einen oder andern ns-treuen Geschichtenschreiber dort durchaus wiederfinde. Aber Ilse Weber wurde auch am 6. Oktober 1944 in Auschwitz ermordet. Sie war Jüdin und sie reiht sich in die vielen Autorinnen und Autoren, die heute vergessen sind, weil sie deportiert und getötet wurden. Es ist nicht viel, was von Ilse Webers Werk geblieben ist. Ein Buch vereint alle Texte und Tagebucheinträge und das ist zudem noch vergriffen. Einige Gedichte findet man im Internet und sie jagen einem einen Schauer über den Rücken. Ob das in „Theresienstädter Kinderreime“ das „Rira, rutsch, wir fahren mit der Leichenkutsch“ ist oder in „Das ist der Weg nach Theresienstadt“, ihre Texte beschreiben das Leben im Lager eindrücklich und nachhhaltig. Wie „Ein Koffer spricht“, in dem ein kleiner Koffer aus Frankfurt am Main seinen blinden Herrn sucht und sich fragt, wie dieser ohne den Kofferund seinen Inhalt überhaupt zurechtkommen kann.
Wer nun – wie ich gestern noch – denkt: Ilse Weber, die kennt doch niemand, dem sei gesagt: Das war einmal anders. Schon mit 14 begann sie Märchen, Geschichten und Gedichte zu schreiben – auf Deutsch. Sie ist in Wittkowitz geboren, das zur Zeit ihrer Geburt und Kindheit noch im österreichisch-ungarischen Kaiserreich lag, weshalb Deutsch fürsie eine gängige Sprache war. Sie besuchte eine deutsche Schule und halb ihrer Mutter,die eine Gaststätte führte. Doch zwischendurch schlich sie sich fort, um Kurzgeschichten, Theaterstücke und Gedichte zu schreiben, die bald darauf in deutschsprachigen Zeitungen und Verlagen erschienen.
Bis zu ihrem Tod schrieb Ilse Weber, auch als sie längst eine Familie hatte und mit ihrem Mann und ihren Kindern Tomás und Hanus zusammenlebte. Ihren älteren Sohn Hanus konnte sie vor ihrer Deportation noch mit auf einen Transport nach England schicken. Ihr kleiner Sohn Tomás starb mit ihr im Konzentrationslager Auschwitz, als sie glaubte, ihr Mann würde deportiert und freiwillig in die Gaskammer ging. Am 6. Oktober 1944, vor fast 70 Jahren, in denen man kaum etwas über sie erfahren hat. Wie schön, dass Udo Lindenberg diesen Text ausgewählt hat, um ihr ein wenig Nachruhm zu schenken. Danke, Udo! 09.05.2014 / 13.06.2023 Dr. Birgit Ebbert www.vergessene-frauen.de
Gedichte, die bei der Eröffnung der Ausstellung „KZ Theresienstadt“ in der Gedenkstätte Zellentrakt in Herford https://www.zellentrakt.de/downloads/materialien/Ausstellung_KZ_Theresienstadt_Gedichte_Theresienstadt.pdf
Als ich den Artikel vor neun Jahren geschrieben habe, gab es weitere Seiten über Ilse Weber und ihre Gedichte, leider sind sie alle nicht mehr online, aber dafür andere Seiten wie diese hier:
Gedichte aus Theresienstadt von Ilse Weber
Einen Wikipedia-Eintrag über die Schriftstellerin.