In meiner Zeit als Stadtschreiberin in Gotha war ich in Erfurt in der Ausstellung über Frauen am historischen Bauhaus in Weimar und Dessau. Eine wunderbare Ausstellung, die zeigte, wie innovativ Frauen in den 20er- und 30er-Jahren waren und dass viele Alltagsgegenstände, die uns heute selbstverständlich erscheinen, aus jener Zeit stammen.
Die „Bauhausmädels“
Der Titel der Ausstellung geht zurück auf einen Artikel in der Illustrierten „Die Woche“ aus dem Jahr 1930. Dort wurden auch die Frauen am Bauhaus erwähnt und als „Bauhausmädels“ bezeichnet. Vier dieser Frauen werden mit ihren Werken in der Ausstellung vorgestellt: Gertrud Arndt, Marianne Brandt, Margarete Heymann und Margaretha Reichardt. Besonders interessant fand ich die Arbeitsproben der Frauen in der Ausstellung, mein Lieblingsobjekt ist ein Tintenfass von Marianne Brandt, das gut zu meiner Glasfeder passen würde. Viele Dinge kamen mir ganz selbstverständlich vor, sie sind Beispiele dafür, dass das Bauhaus bis heute nachwirkt, unter anderem durch das Kunsthandwerk, das von den Künstlern geschaffen und sich in den Alltag integriert hat. Apropos Alltagsgegenstände, in der Ausstellung lief auch der Film „Wie wohnen wir gesund und wirtschaftlich?“, aus dem ich kürzlich bei Vortrag über Film und Bauhaus einen Teil gesehen habe.
Gertrud Arndt und ihre Selbstporträts
Den Mittelpunkt der Ausstellung bildeten die Werke von vier Frauen, die am Bauhaus studiert haben. Gertrud Arndt (1903-2000) studierte von 1923 bis 1928 am Bauhaus und war danach weiter dort tätig. Sie war dorthin gekommen, um Architektur zu studieren, nachdem sie vorher eine zeichnerische Ausbildung bei einem Architekten genossen hatte. Während dieser Ausbildung, das erzählt sie in einem Interview, das man sich in der Ausstellung anhören kann, hat sie ihr Herz für die Fotografie entdeckt. Ihr Vorgesetzter überließ ihr seine Kamera, um Fotografieren zu lernen. Am Bauhaus musste sie sich zunächst mit einem Platz in der Weberei begnügen, immerhin schaffte es ein Teppich aus ihrer Hand ins Arbeitszimmer von Walter Gropius. Ihr Leidenschaft blieb jedoch die Fotografie und als sie fertig studiert und geheiratet hatte, „Nichtstuerin“ war, wie sie in dem Interview sagt, wandte sie sich dieser Technik zu. Inzwischen besaß sie – seit 1926 – eine eigene Kamera. Diese nutzte sie für ihre Reihe von Selbstporträts, die sie mit List, Tücke, Fantasie und Humor erstellt hat.
Marianne Brandt und ihre Metallarbeiten
Von Marianne Brandt (1893-1983) hatte ich schon gehört, weil sie in Gotha in den Ruppelwerken gearbeitet hat und es hier im Herbst auch eine Ausstellung über sie geben wird. Darauf freue ich mich schon, denn ihre Exponate haben mich besonders begeistert. Das einfache, aber pfiffige Design von Alltagsdingen wie Tintenfass und Löschwiege, Lampen und Aschenbecher ist so modern, dass ich mehrfach auf das Entwicklungsjahr geschaut habe. Ganz ehrlich, manches, was uns heute als neu verkauft wird, gab es damals schon. Marianne Brandt studierte von 1923 bis 1928 am Bauhaus, in der Metallwerkstatt, deren stellvertretende Leiterin sie von 1928 bis 1929 war. Anschließend arbeitete sie kurzzeitig im Architekturbüro von Walter Gropius, ehe sie – bis 1932 – die Entwurfsabteilung der Ruppelwerke in Gotha leitete. Neben den Metallarbeiten und anderen Entwicklungen sind in der Ausstellung interessante Collagen und Fotografien von ihr zu sehen.
Margarete Heymann-Loebenstein und ihre Keramiken
Margarete Heymann-Loebenstein (1899-1990) ist ein Beispiel dafür, dass auch zu Bauhaus-Zeiten schon Talente unerkannt blieben. Ihr Interesse galt der Keramik, aber für die Keramikwerkstätten fand man sie zu wenig begabt und erteilte ihr immer nur probehalber die Zulassung. So blieb sie nur rund ein Jahr am Bauhaus von 1920 bis 1921 und wurde anschließend durch ihre Haël-Keramik-Werkstätten berühmt. Zu Recht, die Designs sind so schön, dass ich – hätte es einen Merchandising-Shop gegeben – mir zumindest den Kaffeebecher geleistet hätte. Nach dem Abbruch des Studiums gab Margarete Heymann-Loebenstein zunächst Kurse für Kinder in Köln, arbeitete für eine Fabrik in Frechen und machte sich nach ihrer Heirat mit Gustav Loebenstein selbstständig. Der Name der Firma „Haël“ steht für die Initialen der Gründer: Ha von Heymann und El von Loebenstein! Nach einigen Schicksalsschlägen, dem Tod ihres Mannes und ihres kleinen Sohnes, und aufgrund der Repressalien wegen ihrer jüdischen Herkunft ab 1933 verkaufte Margarete Heymann-Loebenstein das Unternehmen und emigrierte 1936 in die USA. Dort gründete sie die „Greta Pottery“, die sie im Krieg schließen musste, und begann nach Kriegsende erneut mit einem Keramik-Atelier.
Margaretha Reichhardt und ihre Gretelstoffe
Die Erfurterin Margaretha Reichhardt (1907-1984) kam nach einer vierjährigen Ausbildung an der Kunstgewerbeschule in Erfurt 1926 ans Bauhaus. Sie studierte dort – wie die meisten Frauen – in der Weberei und entwickelte sich zu einer der erfolgreichsten Textildesignerinnen des Bauhaus. Nach Abschluss ihres Studiums 1931 ging sie zunächst in die Niederlande und gründete 1934 in Erfurt ihre Handweberei Grete Reichardt, das sie bis zu ihrem Tod leitete. Die Entwürfe und Muster in der Ausstellung zeigen wie eigentlich alle Exponate, dass zumindest diese Bauhaus-Frauen Klassiker entwickelt haben, auch die Designs von Margaretha Reichhardt finden sich heute unter Stoffklassikern. Bei meinem nächsten Ausflug nach Erfurt werde ich auf jeden Fall ihrem Haus, das als Museum fungiert, einen Besuch abstatten. Eine sehenswerte Ausstellung! 13.06.2919/11.06.2023 Dr. Birgit Ebbert www.vergessene-frauen.de