Vorab muss ich bemerken, wer dieses Buch liest, bekomm am laufenden Band Schnappatmung. Gerade in den ersten Kapiteln über die Politikerinnen der ersten 50 Jahre unserer Republik. Ich war zeitweise froh, dass dieses Buch von einem Mann geschrieben wurde, einer Frau hätte man sicher unterstellt, sie hätte die Quellen einseitig betrachtet. Der Rand meines Buches ist übersät von Anmerkungen wie „What?“, „Hammer“, „Unfassbar“ oder auch Traurigkeitsemojis.
Das Buch zeigt einerseits, dass sich ja doch etwas bewegt hat in den letzten Jahrzehnten, aber es belegt auch, wie wichtig es ist, dass Menschen unermüdlich und unerschrocken die Finger in Wunden der Benachteiligung legen. Und in den Nachkriegsjahrzehnten waren Frauen nun einmal benachteiligt in unserer Gesellschaft, auch wenn im Grundgesetz – dank des Kampfes einer Frau – festgeschrieben war, dass Frauen und Männer gleichberechtigt sind. Schon dass die Regierung unter Konrad Adenauer die Umsetzung dieses Paragraphen auf das Bürgerliche Gesetzbuch verschleppte, beweist, wie unwichtig ihm und den anderen politische agierenden Männern die Frauen waren. Was mich zusätzlich nachdenklich gestimmt hat, war die Rolle der Medien bei der Unterdrückung der Frauen in der Politik. Nicht nur, dass in ihrer Darstellung von Frauen gerne auf das Äußere und die Kleidung verwiesen wurde, das kennen wir bis heute, durch die Auswahl ihrer Interview- und Porträtpartner trugen sie bis in unser Jahrhundert hinein dazu bei, das Bild der Frauen klein zu reden bzw. zu schreiben. Der Autor verweist in dem Zusammenhang auf eine Fernsehdokumentation zum 60. Geburtstag der BRD mit 55 Gesprächspartnern, unter denen gerade mal drei Frauen waren – ehrlich, da fallen mir aus dem Stand mehr ein, die etwas bewegt haben und zwar welche, die ich schon in meiner Jugend- und Studienzeit namentlich kannte wie Ingrid Matthäus-Meier, Liselotte Funcke, Annemarie Renger, Petra Kelly, Hertha Däubler-Gmelin, Hildegard Hamm-Brücher … Doch zurück zum Buch, das man wirklich gelesen haben sollte – auch als Mann, auch als junge Frau, um zu verstehen, dass es wichtig ist, für Gleichberechtigung zu kämpfen.
Schnappatmung und kein Ende über die „Männer der Republik“
Das Buch enthält so viele Beispiele, dass ich das Buch abschreiben könnte. Unfassbar finde ich aber diese Äußerung des Gründers der CSU und Landtagspräsidenten in Bayern aus dem Jahr 1950: „Als Einzelne wirkt die Frau wie eine Blume im Parlament, aber in der Masse wie Unkraut.“ In meinem Buch habe ich daneben fett „Puh!“ geschrieben und rege mich jetzt schon wieder auf. Das zeigt schon, dass das Buch nicht aus Porträts der Politikerinnen besteht, sondern deren Wirken im Zusammenhang mit ihren Erlebnissen und Aktionen darstellt, das macht das Buch aber auch so lesenswert. Als „Dramolett“ beschreibt der Autor, wie Elisabeth Schwarzhaupt 1961 erste Bundesministerin wurde – als Justizministerin, wofür sie als Juristin prädestiniert war, kam sie nach Adenauers Vorstellung nicht in Frage, weil ihr Pendant in der DDR auch eine Frau war und man der einen Mann gegenübersetzen müsse, als Familienministerin kam sie nicht in Frage, weil sie unverheiratet und kinderlos war, am Ende wurde extra für sie das Gesundheitsministerium geschaffen, was sie notgedrungen übernahm. Und da komme ich zu den Medien, der Spiegel schrieb tatsächlich dazu „Angesichts der Überflüssigkeit ihres Ressorts zweifelt in Bonn niemand an der Qualifikation von Fräulein Schwarzhaupt.“ Hat jemals jemand etwas über ein „Männlein XY“ gelesen! Ihr seht, es gibt viele Anlässe für Schnappatmung. Die Frauen brauchten schon ein sehr dickes Fell, um sich zu behaupten. Viele Namen kannte ich tatsächlich nicht, dabei haben sie für die Bundesrepublik Deutschland und die Frauen Bedeutsames geleistet. Schon bei dem Film „Die Unbeugsamen“ war ich ja überrascht, was vor fünfzig Jahren erkämpft wurde, das für uns und auch für mich als Mädchen und junge Frau selbstverständlich war. In diesem Buch wird an vielen kleinen und großen Beispielen erzählt, dass der Weg dorthin sehr steinig war. Ein sehr lesenswertes Buch, das gut unter den Gabentisch passt 😊 © 2024 Dr. Birgit Ebbert www.vergessene-frauen.de
Da ich einige der Frauen nicht kannte, findet ihr hier eine Auflistung der Politikerinnen, die im Buch vorkommen:
- Marie-Luise Beck
- Mathilde Berghofer-Weichner
- Annemarie Borgmann
- Lenelotte von Bothmer
- Aenne Brauksiepe
- Carola von Braun
- Heidemarie Dann
- Herta Däubler-Gmelin
- Katharina Focke
- Brigitte Freyh
- Liselotte Funcke
- Hildegard Hamm-Brücher
- Annemarie Heiler
- Renate Hellwig
- Elly Heuss-Knapp
- Erika Hickel
- Hannegret Hönes
- Margot Kalinke
- Petra Kelly
- Maria-Elisabeth Klee
- Maria-Elisabeth Lüders
- Ursula Männle
- Anke Martiny-Glotz
- Ingrid Matthäus-Meier
- Angela Merkel
- Frieda Nadig
- Christa Nickel
- Elisabeth Nuphaus
- Elisabeth Pitz-Savelsberg
- Gaby Potthast
- Maria Probst
- Ingrid Psimmas
- Annemarie Renger
- Ingrid Roitzsch
- Marie Schlei
- Renate Schmidt
- Waltraud Schoppe
- Louise Schroeder
- Helga Schuchardt
- Elisabeth Schwarzhaupt
- Elisabeth Selbert
- Käte Strobel
- Rita Süssmuth
- Antje Vollmer
- Helene Weber
- Emmi Welter
- Helene Wessel
- Jeanette Wolff