Bei der Recherche für den Roman „Die Königin an der Ruhr“ im Historischen Krupp-Archiv bin ich auf einen Briefwechsel von Margarethe Krupp mit einer Künstlerin gestoßen, von der ich noch nie gehört hatte. Dabei wurde deutlich, dass sie in Düsseldorf an der Kunstakademie Bildhauerei studiert hatte und irgendwann Professorin in Frankfurt gewesen sein musste: Helene Leven Intze. Einer ihrer Schwerpunkte waren Figuren aus der Welt der Technik und des Bergbaus, dazu hat sie unter anderem im Krupp-Werk recherchiert, woraus das Kunstwerk „Der Eisengießer“ entstanden ist, das Margarethe Krupp angekauft hat.
Es sollte im Altenhof aufgestellt werden und wurde es auch, im Internet habe ich ein Foto davon gefunden. In der Korrespondenz von Margarethe Krupp mit ihrem Verwalter wurde deutlich, dass die Skulptur – damals – nicht den Stellenwert bekam, den die Firmen-Chefin dem Werk geben wollte, heute scheint „Der Eisengießer“ dem Foto nach an einem exponierten Platz zu stehen. Laut einem Artikel im Jahrbuch Essen-Rüttenscheid von 1962 über den Altenhof stand dort auch einmal das Denkmal „Der Puddler“ von Helene Leven-Intze.
Lebensfragmente über Helene Leven-Intze
Die Suche nach weiteren Informationen über die Künstlerin gestaltete sich schwierig, auch in einem umfangreichen Buch über den Bergbau in der Kunst wird darauf verwiesen, dass wenig überliefert ist. Ein bisschen was habe ich aber doch im Internet entdeckt. Sie wurde 1872 in Bad Soden geboren und die Tochter des Architekturprofessors Otto Intze. (Persönlicher Funfact am Rande, Otto Intze hat die Hasper Talsperre erbaut, die heute zu meinem Wohnort Hagen gehört.) Wo Helene Intze-Leven gestorben ist, habe ich nicht herausbekommen, in dem Katalogeintrag über die Skulptur eines Professors wurde 1956 als Sterbejahr angegeben, ob das stimmt, konnte ich nicht überprüfen, möglicherweise ist da etwas durcheinander geraten, denn das ist das Sterbejahr von Hugo Leven, von dem ich vermute, dass es ihr Ehemann war, die beiden kannten sich aus der Akademie in Düsseldorf und es gibt einige Überschneidungen im Lebenslauf, eine Ausstellung in Oldenburg, bei der beide vertreten waren, Arbeiten in Hanau und im Frankfurter Raum, Hugo Leven war bis 1933, als man ihn aus dem Amt geworfen hat, Lehrer an der Zeichenakademie der Fachschule für Edelmetallindustrie in Hanau. In einem Artikel über die Bronzebüste des Chirurgen Fritz König in Würzburg werden die Lebensdaten von Helen Leven-Intze mit 1872-1968 angegeben, im Wikipedia-Eintrag zu dem Chirurgen wird zudem darauf verwiesen, dass Helene Leven-Intze bereits 1935 Bildhauerin und Professorin war.
Aufgefundene Werke von Helene Leven-Intze
Helene Intze hat irgendwann einen Herrn Leven, vermutlich den Künstler Hugo Leven (1874-1956) (s.o.) geheiratet und war weiterhin als Bildhauerin tätig. 1905 hat sie bei einer Ausstellung im Augusteum in Oldenburg ausgestellt und für die folgenden Jahre lassen sich immer wieder Aufträge der öffentlichen Hand ermitteln, umso mehr wundert es mich, dass es nirgends ein Porträt über sie gibt:
- Um 1920 hat sie eine Skulptur für einen Marburger Anatomie-Professer erstellt und 1928 gegenüber der Stadt Düsseldorf ein Angebot für die Marmorbüste „Ehrhard“ abgegeben, ob sie realisiert wurde, habe ich nicht gefunden.
- Im Luitpoldkrankenhaus in Würzburg wurde im Mai 1935 Bronzebüste des früheren Direktors Fritz König aufgestellt, die von Helene Leven-Intze (1872-1968).
- Das Reichsverkehrsministerium gab am 24. Juli 1939 zum 70. Geburtstag des Ministers eine Bronzebüste bei ihr in Auftrag. Bereits 1995 hat sie für die Benedektiner-Abteil zur 1.100-Jahrfeier eine Medaille entworfen, die ich bei ebay sogar hätte ersteigern können.
- 1952 wurde sie von der Gelsenkirchener Bergwerks A.G. Gruppe Hamborn beauftragt, aus Holz eine „Heilige Barbara“ zu schnitzen zum 40. Dienstjubiläum des Bergwerksdirektors Adolf Hueck.
- In einem Online-Shop für Ansichtskarten fand ich eine Ansichtskarte aus Hanau vom Ehrendenkmal des. 1. Oberrhein-Infanterie-Regiments, das von Helene Leven-Intze gestaltet wurde. Ja, es war ein militärisches Denkmal und sie hat in der NS-Zeit vom Reichsverkehrsministerium einen Auftrag angenommen, aber mal ehrlich, das haben viele männliche Künstler auch. Es ist schon erstaunlich, dass über ihren Werdegang nichts zu finden ist, dabei scheint sie ja von ihrer Kunst gelebt zu haben.
Vielleicht eine Intrige gegen die Künstlerin
Die spannendste Information aber fand ich in dem Buch „Man kann Bergleute nicht grotesk schnitzen“, dort geht es auf vier Seiten um Helene Leven-Intze und ein bisschen lässt dieser Beitrag erahnen, warum die Künstlerin in der Kunstwelt nicht auftaucht. Laut dem Artikel ist die Schlüsselfigur Dr. Heinrich Winkelmann, Gründungsdirektor des Bergbaumuseums in Bochum. Er war 1952 auch für den Ankauf von Kunstwerken zuständig und ihm wurde vorgeschlagen, die Werke von Helene Leven-Intze zu berücksichtigen, die ja einen Schwerpunkt im Bereich Bergbau hatte. Nun verband die beiden eine wenig erfreuliche Geschichte. In den 1930er-Jahren hatte Herr Winkelmann von dem Gipsentwurf eines Bergmanns, den Helene für einen Wettbewerb eingereicht hatte, drei Bronzeabgüsse anfertigen lassen – ohne die Künstlerin zu informieren und einzubeziehen. Als Helene Leven-Intze das mitbekam, forderte sie eine finanzielle Entschädigung. Am Ende gab es einen außergerichtlichen Vergleich, zu dem u. a. gehörte, dass der Künstlerin ein Auftrag vermittelt wurde, das waren dann die oben erwähnten Barbara-Skulpturen. Anscheinend war Dr. Winkelmann seitdem nicht gut auf Helene zu sprechen. Plötzlich hieß es, ihre Skulpturen seien zwar künstlerisch wertvoll, aber das künstlerische Verständnis sei völlig überholt. Während er in den 30er-Jahren die Bergmann-Plastik als „zweifellos die beste bergmännische Figur“, die er je gesehen hätte, lobte, kritisierte er 1952, dass die Künstlerin sich nicht genug mit dem Leben eines Bergmanns beschäftigt hätte. Die Autorin des Artikels in dem o. a. Buch schließt aus dem, was sie dem Schriftverkehr des Direktors entnommen hat: „Winkelmanns Taktik nicht als verschleiertes Ressentiment zu bewerten, fällt schwer“ (S.317). Wer weiß, vielleicht war dieses bewusste Negieren der Künstlerin mit dafür verantwortlich, dass sie bis heute in keiner Schrift und auf keiner Website für vergessene Frauen porträtiert wird. Sicher hat sie auch in der NS-Zeit einzelne Aufträge übernommen, aber das haben andere Künstler auch und wenn Hugo Leven tatsächlich ihr Ehemann war, der von den Nationalsozialisten aus seinem Amt entlassen wurde, wird es in ihrer Verantwortung gelegen haben, den Lebensunterhalt zu sichern. Vielleicht fühlt sich durch meinen Beitrag ja jemand inspiriert, weiter zu forschen. © März 2024 Dr. Birgit Ebbert – www.vergessene-frauen.de – www.birgit-ebbert.de
Links von Kunstwerken und Recherchen zu Helene Leven-Intze
Stiftung Sammlung Volmer (Der Eisengießer)
Holzschnitzerei „Die heilige Barbara“ für den Bergwerksdirektor Hueck
Postkarte mit dem Ehrenmal in Hanau
Findbuch Stadtarchiv Düsseldorf mit Verweis auf das Angebot für die Marmorbüste
Helene Leven-Intze in einer Ausstellung im Augsteum in Oldenburg 1905
Broschüre des Luitpoldkrankenhauses in Würzburg (mit Sterbejahr Helene Leven-Intze 1968)
Wikipedia-Eintrag über Fritz König
Buch „Man kann Bergleute nicht grotesk schnitzen“ von Anna-Magdalena Heide (2023)
Das Beitragsbild ist ein Auszug aus meinem Roman „Die Königin von der Ruhr“ (Lübbe 2023)