Nun hätte ich vor lauter spannenden Frauen fast vergessen, auch Herti Kirchner hier vorzustellen, deren Werk leider weitgehend vergessen ist. Bis ihr Neffe ihre Briefe an die Familie gefunden hat und ich angefangen habe, ihr Leben zu recherchieren, war sie eine Randnotiz in den Biografien über Erich Kästner, da sie in den 1930er-Jahren mit ihm liiert war. Dabei war Herti Kirchner, obwohl sie bei ihrem Tod erst 25 Jahre alt war, weit mehr als Geliebte eines prominenten Schriftstellers. Sie war in erster Linie Schauspielerin und hat unter anderem mit Filmgrößen jener Zeit wie Luis Trenker, Heinz Rühmann, Gustav Knuth und Käthe Haack gedreht.
Sie war mit dem bekanntesten Filmregisseur jener Zeit, Josef von Sternberg, und Kurt Vollmöller, dem Entdecker von Marlene Dietrich, und vielen einflussreichen Menschen befreundet. Neben über 20 Filmen, teilweise auch Werbespots, hat sie an weit über 100 Sendungen im Rundfunk mitgewirkt, die damals noch live ausgestrahlt wurden, auf einigen wichtigen Theaterbühnen gestanden und beim Kabarett „Tingel-Tangel“ mitgewirkt.
Wie sie dazu noch Zeit fand, zwei Kinderbücher – „Lütte“ und „Wer will unter die Indianer?“ – zu schreiben, die beide im heute noch bekannten Cecilie Dressler Verlag erschienen sind, kann man sich kaum vorstellen. In ihren Briefen, die ich als Grundlage meines Romans „Den Traum im Blick – Roman aus dem Film-Berlin der 30er-Jahre“ analysiert habe, schreibt sie an ihre Familie, dass sie die Wartezeit bei Proben und zwischen Proben und Aufführungen zum Schreiben nutzt. Im Nachlass habe ich auch eine Fülle von Geschichten und Gedichten sowie Konzepte für Drehbücher und Bühnenstücke gefunden, die nicht mehr realisiert wurden – ob aus politischen Gründen oder weil sie vorher starb, habe ich bisher nicht herausfinden können. Sie starb ein halbes Jahr vor Ausbruch des Krieges, in der Nacht vom 30. April auf den 1. Mai, bei einem selbstverschuldeten Unfall in ihrem eigenen Auto. Erich Kästner musste ihren Leichnam identifizieren und soll seither nie mehr selbst am Steuer gesessen haben.
Weitere Informationen über Herti Kirchner, ihr Werk, ihr Leben und ihre Beziehung zu Erich Kästner finden sich auf www.kaestner-im-netz.de und mein Roman verrät auch ein bisschen über jene Zeit und Herti Kirchner. © März 2024 Dr. Birgit Ebbert www.vergessene-frauen.de – www.birgit-ebbert.de
Das Foto stammt aus dem Nachlass von Herti Kirchner, der im Stadtarchiv Kiel liegt.