Diesen Beitrag habe ich in meinem Blog 2016 geschrieben, aber da war Marie von Ebner-Eschenbach schon 100 Jahre tot, viel getan hat sich seither wohl kaum. Als ich damals Gedenktage in 2016 recherchierte, fand ich auch die Information, dass Marie von Ebner-Eschenbach am 12. März 1916 vor 100 Jahren gestorben war. Da wurde mir klar, dass ich über die Frau nichts wusste, obwohl sich in meiner Zitate-Datenbank zig Sätze von ihr befinden.
Würde ich ein Ranking erstellen, käme sie sicher gleich nach Goethe. Und eigentlich hätte der Satz meines Profs nicht lauten dürfen. „Im Zweifel stammt jedes Zitat von Goethe oder Busch“, sondern von Goethe, Busch oder Ebner-Eschenbach. Aber mit Frauen hatten es die ehrwürdigen Herren Professoren in meiner Studienzeit noch nicht so. Ich kann mich auch nicht daran erinnern, dass ich jemals in der Schule etwas von ihr gelesen hätte, obwohl sie heute als eine der bedeutendsten Schriftstellerinnen des 19. Jahrhunderts gesehen wird. Kurzum: Ich habe ein wenig im Internet gestöbert – mit für mich erstaunlichen Ergebnissen.
Das falsche Bild der Marie von Ebner-Eschenbach
Fangen wir bei den Bildern an, die von Marie kursieren – zu ihrem 150. Geburtstag 1980 hat man ihr Konterfei auf einer Sonderbriefmarke gedruckt. Das Bild habe ich gleich wieder erkannt und es hat mich nie sonderlich angesprochen. Deshalb habe ich Marie von Ebner-Eschenbach immer für eine verknöcherte Heimatdichterin gehalten. Und ihr wirklich Unrecht getan. Fast könnte man sagen, sie war eine der ersten Feministinnen, zumindest hat sie Dinge getan, die zu ihrer Zeit für Frauen völlig unüblich waren. Am 13. September 1830 wurde sie in eine adelige Familie hineingeboren, was sicher eine gute Startvoraussetzugn war. Allerdings starb ihre Mutter kurz nach ihrer Geburt und als sie sieben Jahre alt war, verlor sie auch ihre erste Stiefmutter, die ihr eine Ersatzmutter gewesen war. Zum Glück verstand sie sich auch mit der nächsten Frau ihres Vaters gut, sie förderte ihr schriftstellerisches Talent und führte sie an Literatur und Theater heran. Glück hatte sie auch mit ihrem Ehemann, ihrem Cousin Moritz, der ihre schriftstellerischen Ambitionen förderte.
Das wahre Leben von Marie von Ebner-Eschenbach
Marie von Ebner-Eschenbach beschränkte sich jedoch nicht darauf, zu beschreiben, was sie in Adelskreisen erlebte, sie verließ ihre Welt und ließ sich noch mit 49 Jahren auf eine Uhrmacher-Lehre ein, eher untypisch für jene Zeit. Die Erfahrungen aus jener Zeit, spiegeln sich auch in ihrer Erzählung „Lotti, die Uhrmacherin“ wider, die ihr die Türen der Verlage öffneten. Ich muss gestehen, ich kannte keines der Bücher aus ihrer Werkliste, „Krambambuli“ ist für mich der Titel einer Kindersendung der 70er Jahre. Aber ich habe mir vorgenommen, doch das eine oder andere von ihr zu lesen, „Das Gemeindekind“ klingt danach, als könnte man darin einiges über das 19. Jahrhundert erfahren, das gilt sicher auch für die biographischen Skizzen „Meine Kinderjahre“ und ihre Tagebüher von 1862 bis 1916.
Jetzt habe ich in die „Kinderjahre“ hineingelesen und bin schon von der Bezeichnung „Negligé der Korrekturbogen“ entzückt und gespannt, was mich in ihren Schriften noch erwartet. Das Bild von der Briefmarke streiche ich jedenfalls aus meinem Kopf und ersetze es durch das nebenstehende Jugendporträt, das viel moderner wirkt. Was sie wohl auch war, zumindest setzte sie sich kritisch mit den Normen ihrer Zeit auseinander, bekam 1900 als erste Frau den Ehrendoktor der Universität Wien und gründete zusammen mit anderen einen „Verein zur Bekämpfung des Antisemitismus“. Sie starb am 12. März 1916 in Wien. © 12.03.2016 / 14.06.2023 Birgit Ebbert www.vergessene-frauen.de
Meine Lieblingszitate von Marie von Ebner-Eschenbach
- Der Zufall ist die in Schleier gehüllte Notwendigkeit.
- Nicht was wir erleben, sondern wie wir empfinden, was wir erleben, macht unser Schicksal aus.
- Wir werden vom Schicksal hart oder weich geklopft; es kommt auf das Material an.
- Nenne dich nicht arm, weil deine Träume nicht in Erfüllung gegangen sind, wirklich arm ist nur der, der nie geträumt hat.
- Das gibt sich – sagen schwache Eltern von den Fehlern ihrer Kinder. Oh nein! Es gibt sich nicht! Es entwickelt sich.
- Wenn man das Dasein als Aufgabe betrachtet, dann vermag man es immer zu tragen.
- Dichten: Eine Arbeit, die nur gut Geratenen gerät.
- Der Gescheitere gibt nach! Ein unsterbliches Wort. Es begründet die Weltherrschaft der Dummen.
- Man bleibt jung, solange man noch lernen, neue Gewohnheiten annehmen und Widerspruch ertragen kann.
- Man darf anders denken als seine Zeit, aber man darf sich nicht anders kleiden.
- Das meiste haben wir gewöhnlich in der Zeit getan, in der wir meinen, nichts getan zu haben.
- Man muß schon etwas wissen, um verbergen zu können, dass man nichts weiß.
- So manche Wahrheit ging von einem Irrtum aus.
- Für das Können gibt es nur einen Beweis: das Tun.
- Natur ist Wahrheit; Kunst ist höchste Wahrheit.
- Ausnahmen sind nicht immer Bestätigung der alten Regel. Sie können auch Vorboten einer neuen Regel sein.
- Viele Leute glauben, wenn sie einen Fehler erst eingestanden haben, brauchen sie ich nicht mehr abzulegen.
- Und ich habe mich so gefreut!, sagst du vorwurfsvoll, wenn dir eine Hoffnung zerstört wurde. Du hast dich gefreut – ist das nichts?